Dieser Blogbeitrag wurde von einem, mir sehr geschätzten Hundetrainer geschrieben.
Ich freue mich, dass wir Normen im März bei uns in Mülheim zu einem Seminar begrüßen können.
Normen Mrozinski ist als zertifizierter Hundetrainer nach den Richtlinien der Tierärztekammer Schleswig-Holstein und als Dozent, Autor für Fachzeitschriften, Sachbuchautor („Hütehunde als Begleiter“ und „Aggressionsverhalten beim Hund“) und Blogger tätig und lebt in Norddeutschland.
Als passionierter Hobbyschäfer gilt seine besondere Vorliebe den Hüte- und Treibhunden.
Als langjähriger Vorsitzender eines Tierschutzvereins setzt er sich zudem für beißvorfällig gewordene Hunde ein. https://nomro.de
In einem früheren Leben muss ich mal ein widerlicher Despot gewesen sein. Vermutlich habe ich ein kleines Land und meine Untertanen unterjocht, so wie man es heute nur noch bei prominenten Ziegenliebhabern vermutet.
Anders kann ich mir jedenfalls nicht erklären, warum ich einen Hund wie Tacker habe, er muss so etwas wie eine verdiente Strafe für längst vergangene Grausamkeiten meinerseits sein.
Nichts desto trotz dachte ich mir vor einigen Monaten, dass die drei mir verbliebenen Hunde doch ein bisschen wenig wären. Und so reifte in mir der Gedanke, mir wieder einen vierten Hund anzuschaffen.
Diesmal hatte ich ganz klare Vorstellungen davon, wie der Neue sein soll: Nett, verträglich, unkompliziert – und vor allem kein Hütehund!
Und so kam es, dass ich eines Tages auf „Bosse“ stieß, der zurück ins Tierheim gekommen war, weil er wohl mit dem Kleinkind der Familie nicht klar kam.
Super, dachte ich mir. Mit Kleinkindern komme ich auch nicht klar, also gehste mal eine Runde mit ihm laufen und guckst, wie er mit dem Rest der Bande klarkommt.
Auf dem ersten Blick stellte sich Bosse als außerordentlich sympathisch dar. Gut, er war in etwa so leinenführig wie ein Ochse, den man vor den Karren gespannt hatte, aber dafür war er wirklich sehr nett im Umgang mit meinen Hunden und abgesehen davon: Ein Husky-Mix, der an der Leine zieht, so eine Überraschung.
Nett mit Hunden stellte sich dann folgendermaßen dar:
Bosse trifft auf Tacker, gegenseitige Ano-Genitalkontrolle, man ergibt sich in wildes Rennspiel. Soweit alles im grünen Bereich und genau das, was ich gesucht hatte. Nämlich ein Hund, der nicht auf die Idee käme, sein Gegenüber zu hüten.
Nach ungefähr zwei Minuten kam Bosse dann auf die Idee, dass man dem einkopfkleineren Hütitüti mal zeigen könnte, wie so ein Husky-Teil imponieren kann.
Keine besonders gute Idee, und in diesem Moment hätte ich stutzig werden müssen.
Bosse versucht also ein „T“ zu buchstabieren, legt den Kopf auf das Tackerchen – und findet sich ungefähr zwei Sekunden später in Rückenlage im Dreck wieder.
Naja, so sind sie halt, denke ich mir, während Bosse etwas verwirrt dreinschaut und sich schließlich übergeben muss.
Seitdem habe ich wieder vier Hunde, die ich mein Eigen nenne.
Toll.
Bosse ist tatsächlich weitestgehend das, was ich gesucht habe.
Sehr gut verträglich mit allen Hunden und sehr nett zu Menschen, die größer als ein Meter sind – nur mit der Unkompliziertheit, das hatte ich mir etwas anders vorgestellt.
Denn, besonders kompliziert darf es für meinen neuen Hund wirklich nicht werden. Kurz: Wäre Bosse ein Mensch, dann wäre er ein Kevin.
Bosse ist der einzige Hund, den ich jemals kennengelernt habe, der zweimal hintereinander den selben Weidezaun markiert, der sich jedes Mal aufs Neue wundert, dass er nach ein paar Metern in der Ostsee nicht mehr stehen kann und der auch nach nunmehr sechs Monaten ratlos auf der falschen Seite der Tür steht, die ich jeden Morgen öffne.
Kurz gesagt, Bosse ist nicht besonders klug.
Oder anders gesagt: Bosse ist jetzt nicht dumm, er hat nur Pech beim denken …
Dafür ist er außerordentlich hübsch. Als die Schönheit verteilt wurde, hat Bosse zweimal aufgezeigt. Als dann die Intelligenz dran kam, war Bosse vermutlich schon damit beschäftigt, sein Spiegelbild anzukläffen.
Über solche Dinge wie Erziehung brauche ich mir bei Bosse keine Gedanken zu machen. Jeder Kognitionsforscher würde seinen Job aufgeben, wenn er nur mit Hunden wie meinem Husky-Mix konfrontiert wäre.
Also sehe ich zu, dass ich immer eine Handvoll Leckerchen dabei habe, dann klappt das mit Bosse und mir ganz gut. Wenn ich ihn rufe, kommt er hochmotiviert in meine Richtung gelaufen, allerdings sollte keine zweite Person dabei sein, weil ihn das überfordert. Auch kann es passieren, dass er freudestrahlend an mir vorbeirennt, um dann – als wenn ihm etwas eingefallen wäre – scharf zu bremsen, um schließlich bei mir zu landen.
Bosse kann Sitz und Platz – und beides sogar auf Distanz. Die sollte allerdings nicht zu groß sein, den im Normalfall muss ich ihn dort abholen.
Der Husky in ihm macht Bosse zu einem ambitionierten, aber vom Pech verfolgten Jäger. Als er mal einem Kaninchen hinterhergerannt ist, traf er zielstrebig den einzigen Baum im Weg. Ich muss an dieser Stelle nicht erwähnen, dass er deswegen noch lange keine Erkenntnis bezüglich Kaninchen oder gar Bäume hätte.
Auch wenn Bosse nicht die hellste Kerze auf der Torte ist, mit seinem Charme macht er alles wieder gut. Es macht unglaublichen Spaß, ihn im Spiel mit den Hütehunden zu sehen (so lange kein Baum im Weg steht) und wie vorsichtig und freundlich er mit Menschen umgeht.
Solche Hunde wie Bosse braucht man viel häufiger: Macht auf dem ersten Blick eine Menge her, ist aber freundlich und sozial. Und bis die anderen gemerkt haben, dass er wirklich nicht besonders schlau ist, hat man die Hundewiese längst verlassen.
Good Boy!